Pressemitteilung vom 10. Juni 2020
100 Jahre Schullandheim Heideheim in Kleinburgwedel
Ursprünglich wollte das Schullandheim der Berufsbildenden Schulen in der Region Hannover e.V. in diesem Monat sein 100-jähriges Bestehen feiern. Aber dann kam das Coronavirus. Alle gebuchten Aufenthalte durch Kindergärten, Schulen und andere Institutionen vom 15.03.2020 an wurden abgesagt. Wann wir den Beherbergungsbetrieb in gewohnter Form wiederaufnehmen können, ist immer noch nicht abzusehen.
Für uns – und alle anderen Schullandheime – stellte sich sofort die Existenzfrage. Das Konjunkturpaket des Bundes sieht zur Stabilisierung gemeinnütziger Organisationen Kredite vor. Kredite sind für gemeinnützige Organisationen keine Hilfe, weil sie als geförderte Einrichtungen weder Rücklagen bilden noch Gewinne erwirtschaften können. Um den Kapitaldienst zu bedienen wären wir gezwungen die Preise für unsere Bildungsangebote zu erhöhen. Das widerspräche den Grundsätzen unserer Arbeit. Bildung ist kein Luxusgut für wenige! Bildung soll niemanden ausschließen! Preiserhöhungen sind am Markt auch einfach nicht durchsetzbar. Es ging und geht also für uns alle ums Ganze; bezogen auf das Heideheim auch um die Zukunft von drei Festangestellten und fünf Minijobbern.
Alle Investitionen wurden gestoppt, Kurzarbeit angemeldet und Soforthilfe beantragt. Der Zuschuss des Bundes kam sehr schnell, hilft aber lediglich über die erste Zeit hinweg. Danach kämen, wie beschrieben nur Kredite in Betracht. Der Vorstand suchte nach alternativen Belegungsmöglichkeiten und wurde beim Spargel – und Beerenhof Heuer aus Fuhrberg fündig. Seit Mai sind nun rumänische und polnische Erntehelfer im Heideheim untergebracht und werden mittags verpflegt. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können teilweise wieder beschäftigt werden, die finanziellen Verluste halbierten sich. Das Gesundheitsamt nimmt die getroffenen Hygienemaßnahmen ab.
Zum Glück bekommt das Heideheim jährlich eine finanzielle Unterstützung von der Stadt Langenhagen und der Region Hannover. Diese Zuschüsse decken aber nur einen geringen Teil der Betriebskosten ab. Im vergangenen Jahr konnte zum Glück noch ein Seminarraum durch Akustikmaßnahmen barrierefrei umgebaut werden. Ohne die Hilfe des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Niedersachsen, der finanziellen Unterstützung durch „Aktion Mensch“ und zusätzliche Mittel der Stadt Langenhagen wäre das nicht möglich gewesen. Weitere geplante Maßnahmen wurden auf unbestimmte Zeit ausgesetzt.
Die Zukunft des Heideheims und alles Schullandheime in Niedersachsen ist ungewiss. Einen eigenen Rettungsschirm für die Schullandheime, die von der Politik wie auch von Lehrkräften, Eltern und Kindern als unverzichtbarer Teil der Bildungsarbeit bezeichnet werden, gibt es nicht. Es ist fraglich, ob das Heideheim sein 101-jähriges Bestehen im Juni 2021 erlebt. Eine über Jahrzehnte aufgebaute Struktur der Bildung, Jugendhilfe und regionaler Netzwerkarbeit ist in Gefahr zu verschwinden. Die Bedeutung dieses außerschulischen Lernorts ist enorm – fragen Sie Ihre Kinder und Enkelkinder!
Zum Hintergrund:
Gegründet wurde das Heideheim nach dem Ersten Weltkrieg von Lehrkräften der städtischen Berufsschulen in Hannover. Nachdem bisher festgefügte Institutionen wie Familie, Kirche und Staat ihren Einfluss verloren hatten, suchte man einen neuen Weg zur Jugendpflege und Jugenderziehung und fand ihn in der Idee der Schullandheime. Alle Lehrkräfte sowie alle Schülerinnen und Schüler wurden Mitglieder. Gleichzeitig wurden alle Innungen, Gewerkschaften und Vereine als kooperative Mitglieder aufgenommen. Breit angelegte Informationsveranstaltungen mit Vorträgen, Deklamationen, Volkstänzen und Schaubildern brachten so viel Geld ein, dass ein Grundstück auf dem Gebiet von Kleinburgwedel / Wietze erworben werden konnte. Schon 1921 konnte ein Blockhaus im amerikanischen Pionierstil errichtet und von den ersten 25 Jugendlichen bezogen werden. Die Arbeiten erfolgten durch Lehrkräfte und Jugendliche in Eigenleistung.
Heute verfügt das Heideheim über zwei Häuser mit 65 Betten. Besucht wird das Heim heute hauptsächlich von Grundschulen und Jugendlichen der berufsbildenden Schulen der Region Hannover. Im letzten Jahr waren es 8.200 Übernachtungen und 1.300 Tagesgäste. Das Angebot geht vom „Abenteuer Wildnis“ über „Hochseilgarten und Niedrigseilgarten“ bis zum weihnachtlichen Bau der „Hexenhäuser“. Der größte Teil der pädagogischen Angebote führt die Leiterin des Heideheims, Frau Baumgarte, durch.